Im Berliner Dom arbeitet die einzige evangelische „Offene T“rDz im Osten Deutschlands,
die Lebensberatung anbietet. Zur Beratung kommen vor allem Leute, die zeitlich befristete
Arbeitsverträge haben. Sie arbeiten meist in Bereichen, in denen Berufserfahrung nicht so viel
zählt. Es handelt sich dabei um Leute aus Bereichen in denen man oft schnell viel produzieren
muss. Zum Beispiel Computerfachleute, das sind vor allem junge Menschen, die einen hohen
Arbeitsdruck haben. Bundestagsabgeordnete und Regierungsbeamte gehören auch zu der
Klientel. Sie haben viele Probleme mit ihren Partnern, wenn einer in Bonn lebt und einer in
Berlin. Viele sehen auch: Berlin ist eine Riesenstadt, in der man nicht so gut Leute kennen lernen
kann wie zum Beispiel in Bonn. Diese „Neu-BerlinerDz f“hlen sich in Berlin unbedeutender als in
Bonn. Wenn sie hier in ein Lokal am Gendarmenmarkt gehen, dann fällt das nicht unbedingt auf.
In Bonn dagegen kannte man sich, da gehörte man zur Prominenz.
Beratungsstellen gibt es ja viele, von der Telefonseelsorge bis hin zur Psychotherapie. Aber an
der Lebensberatung im Dom ist etwas Besonderes. Aufgrund des christlichen Menschenbildes
wird natürlich großes Vertrauen entgegengebracht. Außerdem kann man hier einfach
vorbeikommen, man muss keinen Antrag ausfüllen. Einsamkeit ist eines der drängendsten
Themen, Angst, Single zu bleiben. Viel sagen: Eigentlich wollte ich mal eine Familie gründen, und
jetzt weiß ich nicht, wie ich jemanden kennen lernen soll. In letzter Zeit versuchen manche
Klienten, sich regelrecht abzusichern. Die suchen sich Wohnungen in der Nähe von Kliniken,
damit sie es im Notfall nicht so weit haben, wenn mal irgendetwas wäre.
Das sind alles junge Menschen, um die30 Jahre. Die überlegen sich auch ganz gezielt: Welche
Nachbarn kann ich kennen lernen? Bei wem kann ich klingeln, wenn es mir schlecht geht? Wo
kann ich dann einen Tee trinken oder mit jemandem zehn Minuten reden? Ihre Schwierigkeiten
treten gegen Ende der Ausbildung auf. Das ist das Problem, fertig zu werden und dann in den
Beruf zu kommen, für den man so lange gelernt hat, also etwas zeigen zu müssen in der Öffentlichkeit. Oft gib es ein großes Problem dahinter, zum Beispiel wenig Selbstwertgefühl.
Die einen kommen zur Lebensberatung über Monate hinweg, andere schauen nur einmal herein.
Im Durchschnitt werden es insgesamt zehn Gespräche mit einem Hilfesuchenden durchgeführt,
und jedes Gespräch dauert etwa eine Stunde. Es gibt auch Menschen, die nach einer halben
Stunde sagen: So, jetzt ist es gut. Die Beratung kann nicht mehr existieren, denn Bezirk, Land
und Kirche haben kein Geld. Schon in einem Monat entscheidet sich, ob man die Berliner allein
in der Kriese lässt.