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Sieben junge Frauen haben einen Verein gegründet, der bei der Wahl des richtigen Studienfaches hilft. Sie unterstützen Schulabgänger, denen Vorbilder fehlen. Wie soll es nach der Schule weitergehen? Diese Frage bereitete Heike Schröder weit mehr Sorgen als das Abitur selbst. „In meiner Familie bin ich die Einzige, die das Gymnasium besucht und erfolgreich abgeschlossen hat", sagt die Tochter einer Kindergärtnerin. „Da gab es keine Vorbilder und wenig Ideen, was man mit der allgemeinen Hochschulreife anfangen kann. Und von einem Überblick über die verschiedenen Studienrichtungen konnte man überhaupt nicht sprechen. Die Aussicht, allein eine Entscheidung treffen zu müssen, setzte mich sehr unter Druck", erzählt die junge Frau aus Niedersachsen. Auch eine öffentliche Berufsberatung an der Schule half nicht weiter: „ Meine Person hat man nicht ernst angenommen." Die Eltern von Heike hörten sich im Bekanntenkreis um und landeten bei der Hamburger Karriereberatung Struss und Partner. Die Geschäftsführerin Ragnhild Struss hat Heikes Mutter als Kind betreut. Und sie wollte da etwas zurückgeben. Seitdem hat sie sich nicht nur um Heike gekümmert, sondern sie dachte sich gleich ein allgemeines Angebot für Studenten aus, die sich eine professionelle Karriereberatung nicht leisten können. „Ich hatte früher schon gelegentlich kostenlos beraten, aber Heike gab mir den Anstoß, das offiziell zu machen." Die Diplomkauffrau hat in diesem Sommer den Verein „Step up! Karrierewege" gegründet, gemeinsam mit sechs jungen Frauen, die sich alle gesellschaftlich engagieren wollen und mit denen Struss an der European Business School in Oestrich-Winkel studierte. Die Idee ist - zuerst junge Menschen, egal ob Realschüler oder Abiturienten und unabhängig von ihrer Herkunft, in der Wahl einer passenden Ausbildung oder eines Studiums zu unterstützen und dann die ersten Ausbildungsjahre mit Mentoring, Bewerbungstrainings und Büchergeld zu fördern. In der Regel bieten Stiftungen und Programme erst nach der Studienwahl verschiedene Möglichkeiten an, die Karriereberatung dagegen reagiert schon von Anfang an. Zunächst werden zwölf Stipendiaten im Jahr gefördert. Für fünfzig zukünftige Kandidaten ist es schon sicher - sie bekommen alles, was ihnen bei der Berufsauswahl helfen kann. „Die anderen Geschäftsfrauen sind über ganz Deutschland verteilt, d.h. wir arbeiten nicht nur in einer Region, wir sind überall tätig. Wir warten auf die Schulabgänger, die können sich jetzt ruhig bewerben."
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Die Mädchen im 19. Jahrhundert konnten noch kein Abitur machen und gerade mal zwischen den Berufen Kindermädchen, Krankenschwester oder Lehrerin wählen. Für die letzten beiden Tätigkeiten sollten sie unverheiratet sein. Obwohl die Mädchen heutzutage im Vergleich zu den Jungen durchschnittlich höhere Schulabschlüsse haben, nutzen sie diese Startbedingungen im Berufsleben oft nicht aus. Nach wie vor zählen „dienende" Berufe wie Verkäuferin, Krankenschwester oder Erzieherin zu den bevorzugten Berufswünschen. Noch immer sind weibliche Tischler, Kfz-Mechaniker oder Ingenieure die große Ausnahme und noch immer verzichten viele Mädchen auf ein langjähriges Studium. Sie glauben, es würde sich nicht lohnen, da sie ohnehin einmal Familie haben werden Viele Unternehmen, Organisationen und Hochschulen versuchen diese Situation zu ändern. An dem Aktionstag Girls' Day öffnen sie ihre Büros, Labors und Werkstätten, um Schülerinnen speziell Berufe vorzustellen, in denen Frauen bisher eher selten tätig waren. So können Mädchen ihre Potenziale und Interessen in den Bereichen Technik, Handwerk, Naturwissenschaften und Informatik entdecken. Der Girls' Day ist das größte deutsche Berufsorientierungsprojekt für Schülerinnen. Auch in sechzehn weiteren Ländern Europas finden der Girls' Day oder ähnliche Aktionen statt. In Deutschland zeigt die Initiative große Wirkung: Die Zahl junger Frauen in den technischen Berufen, die man als „jungentypische" Berufe oder „Männerfächer" bezeichnet, ist in den letzten Jahren permanent gestiegen.